Stipendiumjahr
Ich habe die Jahreszeiten an meinem Fenster vorbeiziehen sehen und doch stehe ich nun hier und wundere mich, wo die Zeit hingegangen ist und empfinde genau dieses Gefühl von schmerzhaftem Verlust gemischt mit Vorfreude wie letzten Sommer.
Ich denke, dieses Erfahrungen zu beschreiben, wird mir nie ganz möglich sein, da es doch einfach etwas ist, was jeder nur selbst erfahren kann. Und ich hoffe, jeder einzelne nutzt die Möglichkeit, wenn er sie geboten bekommt.
Menschen beschreiben dir, wie sehr du dich weiterentwickeln wirst und welche persönlichen Fortschritte du machen wirst. Und ja, genau das passiert. Du gehst durch Freude, Verlust, vertraust ab und zu den falschen Menschen, lernst aus deinen Fehlern und erlebst ein komplett neues Leben. Die Kultur und Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, werden für immer ein Teil von mir bleiben.
Ich schätze jede Erfahrung und jeden Moment wert, den ich in diesen 11 Monaten sammeln konnte und würde trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen es genau so wiederholen.
Natürlich ist nun die Angst da, wie sehr ich mich verändert habe, wie es mit meinen alten Freunden wird, und ob ich meine Freunde hier jemals wiedersehen werde.
Ich war nie die größte Freundin von Veränderungen und doch bin ich mit meinem Auslandsjahr wohl die größte Veränderung in meinem Leben eingegangen. Nicht nur einmal, sondern gleich zweimal Abschied zu nehmen, ist hart. Es ist auch nicht wirklich schön zu reden und doch war es die beste Entscheidung, die ich soweit getroffen habe.
Die größten Highlights der letzten Monate waren meine Abschlussfeier, Graduation und Prom.
Mein März war relativ ruhig. Ich habe Freiwilligenarbeit geleistet, ein paar Ausflüge unternommen und war bowlen und in einem Escape Room. Ich habe Eier für Ostern gefärbt und das Haus mit meiner Gastmutter dekoriert. Ich hatte weiterhin viel Fußballtraining und ich habe angefangen, wieder Klavierunterricht zu nehmen.
Ich war mit meinen Gasteltern immer mal wieder in größeren Städten Thai essen. Die beiden sind oft zu meinen Fußballspielen gekommen und haben mich bei allen meinen Ideen unterstützt. Als das Wetter besser wurde, habe ich mit meinen Freunden Picknicks und habe viele Lagerfeuer gemacht, war wandern und habe Basketball gespielt. Wir haben Pizza-Abende veranstaltet und haben zusammen gebacken. Nach ein paar gescheiterten Shopping-Ausflügen mit meiner Gastmutter, habe ich dann auch endlich mein Kleid für's Prom gefunden.
April war voll mit Prom-Vorbereitungen. Wir haben Tickets verkauft, den Saal dekoriert und Playlists zusammengestellt. Am Tag des Prom haben alle meine Freundinnen und ich uns zusammen fertig gemacht, sind zu Friseurterminen gerannt und haben uns Mühe gegeben, nicht zu spät zu kommen. Es ist eine Tradition, dass sich alle Schüler am Mississippi treffen, um Bilder zu schießen. Anschließend sind wir zum Restaurant gefahren und genau in dem Moment hat es angefangen, wie aus Eimern zu gießen. Der eigentliche Ball war voll gepackt mit Mitschülern, die getanzt und gelacht haben. Wir hatten sehr viel Spaß und es war einer meiner Lieblingsmomente im gesamten Jahr.
In der amerikanischen Kultur ist es normal, in der Woche viel mit Schule und Arbeit beschäftigt zu sein und sich die Wochenenden für Freunde und Familie zu nehmen. Viele meiner Freunde arbeiten in Altersheimen, Tankstellen und Supermärkten. Wir gehen deshalb oft abends 'raus, gehen essen oder schauen uns den Sonnenuntergang an.
Ende April stand mit Ostern auch schon der nächste Feiertag vor der Tür. Am Ostersonntag waren wir morgens im Gottesdienst, hatten dann ein Osterbrunch bei meiner Tante und haben Bienenstich gebacken. Abends kam die Familie zu uns und wir haben ein Feuer gemacht. Ich habe mit meiner kleinen Cousine eine Eiersuche im Garten gemacht und wir haben kleine Geschenke bekommen.
Im Mai war mein Fußballteam Soccergolf spielen und hatte ein Team-Abendessen. Ich habe Tennis mit meinem Gastvater gespielt und wir haben kleine Hasenbabies in unserem Garten gefunden. Ich war viel am Fluss und in der Natur unterwegs. Wir haben Hängematten überall mit hingenommen und lagen oft am Strand. Ich habe an einem Wochenendtunier mit meinem Fußballteam teilgenommen und war öfters mit meiner Freundin ausreiten, da sie Pferde hat. Da unser Highschoolabschluss immer näher kam, haben auch die Grad-Parties angefangen. Jeder Schüler hat sozusagen eine eigene Feier bei sich zu Hause gefeiert, wo es Essen und viele Bilder, Poster, Auszeichnungen etc. gab. Es ist ein ziemlicher großer Aufwand. Es war aber auch toll jedes Wochenende meine Freunde auf einer Grad-Party zu sehen und zu quatschen und Spiele zu spielen. Allerdings ist es sehr stressig, zu neun verschiedenen Feiern an einem Tag zu gehen. Wir waren zur Feier des Geburtstages meiner besten Freundin brunchen und haben Milchshakes gemacht.
Mein Schulabschluss kann man sich eins zu eins so wie in den Filmen vorstellen. Wir sind in unseren Mäntel und mit Kappen in die Turnhalle marschiert und es wurden besondere Anerkennungen preisgegeben. Die Nationalhymne wurde gespielt und dann sind wir alle einzeln über die Bühne gelaufen, unsere Namen wurde aufgerufen, ein paar Hände geschüttelt und unser Diploma überreicht. Ich hatte einen Riesen-Spaß und finde, es war eine einzigartige Erfahrung.
Danach bin ich noch zu einer Hochzeit gefahren. Diese war auf einer Farm und hatte ein wunderschönes Ambiente. Im Generellen hat es mich sehr an eine deutsche Hochzeit erinnert. Zwar war es keine kirchliche Zeremonie, aber es gab eine Torte, Reden, Tänze und viel Essen.
Am 30. Mai war "Veterans Day" und dementsprechend waren wir auf dem Friedhof, um die Reden zu hören und danach haben wir uns die Parade angeschaut und bei meiner Oma gegrillt. Es ist ein ziemlich wichtiger Nationalfeiertag in den USA und etwas, was komplett neu für mich war. Den Tag danach war dann auch schon mein letzter Schultag, was ein wenig Wehmut ausgelöst hat, obwohl diese Schule mir so viel Stress bereitet hat. Ich habe meine letzten beiden Wochen mit vielen Freunden verbracht; wir waren Jetski fahren und hatten eine Schools- Out Feier. Ich habe Ausflüge zum See gemacht und viele schöne Orte gesehen. Wir haben am Strand Marshmallows gegrillt und hatten ein Nachbarschaftsgrillen. Als der neue Top Gun Film rauskam, war ich mit meinen Eltern im 4-D Kino - wobei der Ältere um einiges besser ist.
Dann war es langsam Zeit, Abschied von allen zu nehmen. Dafür haben mir meine Gasteltern eine Abschiedsfeier mit Familie und Freunden organisiert. Wir haben Gartenspiele gespielt, Pizzen belegt und Kuchen gegessen. Ich habe ganz viele Bilder und Souvenirs von meinem Jahr ausgestellt und ein bisschen deutsche Musik gespielt, was jedoch schnell wieder überstimmt wurde… ist wohl doch nicht für jedermann.
Den Lebensinhalt von einem Jahr in zwei Koffer zu packen ist definitiv nicht leicht und geht auch nicht schnell. Das größte Problem war es, meine Kleider in die Koffer zu quetschen. Mein Flug ging um 7 Uhr morgens und der Abschied von meinen Gasteltern war schlimmer, als ich es mir zu Beginn hätte ausmalen können. Man verabschiedet sich in dem Bewusstsein, dass man sich für mindestens ein Jahr, wenn nicht sogar zwei nicht sehen wird und leider liegen die USA auch nicht gerade um die Ecke. Neben den hohen Flugkosten und der Zeitverschiebung, fallen meine Ferien in Deutschland auch ganz anders, als die in den USA. Die beiden haben mir aber schon versprochen, zu meinem Abiabschluss zu kommen:)
Ich habe durch mein Stipendium noch einen Gruppenaufenthalt in Washington D.C. für drei Tage gehabt und wir hatten ganz viel Programm. Mir persönlich hat das WW2 Memorial und Lincoln Memorial am Besten gefallen. Jedoch ist auch das Kapitol sehr imposant. Es war nur leider nicht ganz so amüsant 9 Stunden lang bei 35°C durch die Stadt zu rennen.
Am 18.06. hab ich dann den Flieger nach Frankfurt bestiegen und habe zumindest 3-4 Stunden Schlaf abbekommen. Nachdem wir am 19.6. morgens gelandet sind, hat es noch 2 Stunden gedauert, bis wir durch den Zoll und die Kofferrückgabe waren. Die Wiedersehensfreude hat dann auch so richtig eingesetzt und ich hatte sogar ein paar Freudentränen in den Augen, als ich meine Eltern nach einem Jahr wieder umarmt habe.
Momentan lebe ich mich immer noch ein und vor allem die Schule stellt eine Herausforderung für mich da - was ich vor meinen Auslandsjahr niemals so vorher gesehen hätte. Es ist schwierig sich wieder zu melden, nicht reinzureden und insgesamt so einen langsamen, gesprächigen Stundenverlauf zu haben - anstelle von Frontallehre. Insgesamt laufen einem viele Vergleiche durch den Kopf und man muss gut einschätzen können, wie viel Menschen von deinen Erfahrungen wissen wollen und wann es genug ist. Mit meinen Freunden habe ich mich sofort wieder eingefunden. Mit Bussen und Fahrrädern zu fahren ist immer noch ungewohnt und mit den Uhrzeiten habe ich es auch noch nicht ganz auf der Reihe. Ich denke, es braucht Zeit und Geduld und vor allem Verständnis von allen Seiten.
Ich freue mich, falls ihr fragen habt und mich einfach mal ansprecht, wenn ihr mich seht!
Das war es nun mit meiner kleinen Blogreihe aus dem Ausland und ich hoffe, es hat euch gefreut ein Teil davon gewesen zu sein:)
Eure Naima