Die Facharbeit
Eine humoristische Nachlese
Im Seminarfach die Facharbeit zu schreiben ist keine leichte Aufgabe. Welche Schwierigkeiten auftauchen können, kann man in diesem kleinen humoristischen Horrorkabinett nachlesen.
Sämtliche Figuren dieser Texte sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sind deshalb rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Die Texte haben Lennart Apel, Clemens von Cramon, Annika Derlin, Wiebke Dobers, Florian Heinke, Johanna Hundeshagen, Katharina Kleinsorge, Elena Kozelka, Johanna Loris, Tanja Reiter, Max Rohloff, Julia Schymura, Miriam Volkers und Niklas Wachsmuth verfasst. Leicht redaktionell überarbeitet oder gekürzt wurden sie von Frau Rauhaus.
Aufschieberitits
Das 2. Halbjahr der Q1, Facharbeit, 6 Wochen, 10 Seiten, zumindest ungefähr. Kein Problem, das Schreiben geht ja recht flott, das habe ich ja schon bei der Hausarbeit im 1. Halbjahr gemerkt. Dann müsste man sich für die Recherchen dementsprechend viel Zeit gönnen können. Nach einer Woche hatte ich noch keinerlei Bücher aus der Bibliothek oder Quellen aus dem Internet herausgesucht. Warum sollte ich auch? Den obligatorischen Teil aus Goethes Reisetagebuch „Italienische Reise“ hatte ich ja bereits gelesen und da sich mein Thema sehr stark auf dieses Buch bezog, hatte ich fürs Erste genug getan. Das dadurch erworbene Wissen musste ich jetzt nur noch für später notieren. Aber in der Woche hatte ich nicht immer Zeit für sowas. Und außerdem wollte ich mich nicht überarbeiten. So verging eine weitere Woche, ohne dass ich etwas Neues herausgesucht hatte. Dann kam die Fahrt nach Weimar zur Klassik-Stiftung. Wir brachten mehrere Stunden täglich in der Bibliothek vor Ort zu. So kam es, dass ich, statt nur beschäftigt zu tun, tatsächlich etwas erledigte. Und in der Tat schaffte ich es, während dieser Tage zumindest einige Quellen zu finden, die ich vielleicht verwenden konnte.
Allerdings verging dann noch sehr viel Zeit, bis ich die Quellen ausgewertet hatte: überfliegen, anstreichen, noch mal lesen, verstehen, bewerten, auswählen, Zitate abschreiben, paraphrasieren, Belege und Fußnoten schreiben, Textstellen verwerfen … Am Ende war ich froh, dass das Schreiben wirklich so schnell wie erwartet ging und es mir noch gelang die Facharbeit rechtzeitig fertigzustellen.
Es wäre mir allerdings lieber gewesen, wenn ich mich von Anfang an hätte zum Arbeiten aufraffen können und alles in Ruhe und mit weniger Stress hätte fertigstellen können.
Besserwisser?
Endlich tippte ich die letzten Worte meiner Facharbeit in den Computer. Was für eine Erleichterung – fünfeinhalb Wochen hatte ich konsequent und hart daran gearbeitet. Ich fühlte mich so, als würde meine Freizeit fast schon wieder mir gehören. Fehlten nur noch der Anhang und das Korrekturlesen meiner Freunde und Familie. Und das war ja nun wirklich keine große Sache. Wahrscheinlich würden es nur einige Formulierungen oder einzelne Zeichen sein, die zu bemängeln wären. Nicht, dass ich mir 15 Punkte für meine Arbeit zugeschrieben hätte, aber im Großen und Ganzen war ich doch relativ zufrieden und mir der zweistelligen Note sicher.
Ich schickte schnell eine E-Mail an einige Freunde und druckte ein Exemplar für meine Familie aus, welches ich sogleich meiner Mutter aufzwang. Sie fand gar keine Tippfehler, was mich ein wenig stutzten lies. Der Inhalt gefiel ihr auch und sie dachte über jedes Detail laut und angeregt nach. Offensichtlich begriff sie nicht, dass mir das Thema eigentlich überhaupt nicht gefiel und ich die Arbeit einfach nur schnell hinter mir lassen wollte. Zu meiner Erleichterung wies sie mich auf nur eine offene Frage hin, die ich sogleich nachträglich im Fazit beantwortete.
Am nächsten Tag bekam ich eine E-Mail von einer Freundin. Sie hatte meine von ihr korrigierte Arbeit im Anhang beigefügt. Voller guter Dinge lud ich die Datei herunter. Als ich sie öffnete, bekam ich einen Schock. Etwa zwei Drittel des gesamten Textes waren gelb markiert. Normalerweise gab meine Freundin Maja immer sehr hilfreiche Kritik und ich hatte sie zuvor bei jeder Gelegenheit mit Freuden zur Kenntnis genommen. Aber bei der Facharbeit wagte ich es kaum, mit der Korrektur anzufangen.
Viele Anmerkungen konnte ich durchaus nachvollziehen, stimmte aber nicht vollständig mit ihnen überein. Waren es diese unzähligen Kleinigkeiten wert, so lange über sie nachzudenken? Völlig verunsichert verbesserte ich eine ganze Menge an Formulierungen. Das war aber gar nicht das Schlimmste. Maja bemängelte nämlich außerdem meine Gliederung. Ihrer Meinung nach sollte ich einige Dinge aus dem Fazit in den Hauptteil verschieben. Zudem seien noch viele Fragen bei ihr offen. Also nahm ich mir auch diese Kritik zu Herzen und strukturierte die ganze Nacht hindurch meine Facharbeit neu. Damit war mein Wochenende, das ich eigentlich schon in meiner Macht geglaubt hatte, hin.
Am Mittwoch sollte ich die Arbeit abgeben und sie davor noch binden lassen. Es wurde höchste Zeit, dass mein Vater, dessen Kritik für mich schon immer die hilfreichste gewesen war, einen Blick auf meine Arbeit warf. Unglücklicherweise hatte er jedes Mal, wenn ich ihn danach fragte, keine Zeit. Erst am Montagabend, bevor ich mein Werk am Dienstag binden lassen wollte, schenkte er mir seine Aufmerksamkeit und ging den Text gemeinsam mit mir durch. Er war der Meinung, dass mein Fazit viel zu kurz war. Genau der Teil, den ich wegen Maja in den Hauptteil verschoben hatte, solle im Fazit stehen. Sowieso hätte ich viel zu viel rumgeschwafelt und käme nicht auf den Punkt. Mein Vater veränderte viele Dinge, die durch Majas Kritik entstanden waren. Aber ich wagte nicht, meinen Vater aufzuhalten, da ich ja immerhin seine wertvolle Zeit beanspruchte.
Völlig verwirrt zog ich mich zurück, um ein letztes Mal meine Facharbeit durchzulesen. Durch die vielen Veränderungen, die ich in den letzten Tagen vorgenommen hatte, schien sie gar nicht mehr mein eigenes Werk zu sein. Die gegensätzliche Kritik Majas und meines Vaters hatte alles durcheinandergebracht. Ich war total aus dem Konzept gebracht. Dabei hatte ich doch ein so gutes Gefühl gehabt!
Dieser Gedanke brachte mich auf eine gute Idee. Kurzerhand öffnete ich noch einmal die Datei, die noch völlig ohne fremde Hilfe geschrieben war. Beim Lesen wurde ich mir immer sicherer, dass dieses Exemplar das richtige war. Schließlich entschied ich mich für diese von anderen ganz unberührte Facharbeit und ließ die verunstaltete in den Papierkorb wandern.
Ich hätte die Zeit so viel sinnvoller verbringen können…
Bindungsfehler
Wo ist denn nur dieser verflixte Zettel? Ich laufe durch die ganze Wohnung, suche, fluche und alle, denen ich begegne, weichen mir mit einem vielsagenden Blick aus. Nein, ich habe keine schlechte Laune. Und überhaupt sind sie ja bloß froh, dass sie das nicht machen müssen. Bald ist nämlich der Abgabetermin der Facharbeit und ich bin noch fleißig am Arbeiten. Naja, eigentlich fehlt nicht mehr viel. Nur noch hier und da ein paar Verbesserungen am Text. Naja, vielleicht überarbeite ich auch nochmal die ganze Passage mit dem dämlichen Geschichtsdingsbums. Ich laufe in meinem Zimmer am Spiegel vorbei und sehe so ganz flüchtig einen kleinen Zettel, der am Rand befestigt ist - da ist er ja! Ich überfliege kurz den Inhalt und dann wird mir plötzlich ein klein wenig übel. Wie bitte? Morgen soll schon Abgabe sein? Nee, das kann ja gar nicht sein. Das hätte ich doch gewusst. Ich schaue auf den Kalender. Mist. So etwas kann aber auch wirklich nur mir passieren, denke ich, und verdränge schnell den Gedanken daran, dass ich den Zettel zur Erinnerung erst drei Tage zuvor dort aufgehängt hatte, denn mir kommt ein ganz anderes Problem in den Sinn:
Ich muss ja meine Facharbeit noch binden lassen! Ach du je, jetzt um halb elf haben alle Läden geschlossen. Ich werde richtig nervös und die Übelkeit steigt, sodass ich erst noch einmal ein paar Gummibärchen aus der Tüte essen muss. Die beruhigen mich und gleich kommt mir die Idee: Na klar, ist doch ganz lässig. Abgabe der Facharbeit ist ja erst in der dritten Stunde, bis dahin habe ich doch noch genügend Zeit, schnell in die Stadt zu gehen und sie binden zu lassen. Dann sage ich in der Schule einfach, ich hätte verschlafen. Dass ich da nicht früher drauf gekommen bin! Ich entspanne mich, schreibe noch ein bisschen an meiner Arbeit weiter. Am Morgen darauf gehe ich mit einem Grinsen in den Copy-Shop. Alles gut, eine halbe Stunde habe ich ja noch, bis ich in der Schule sein muss: „Ist doch alles ganz lässig“. Der Mitarbeiter, der plötzlich vor mir steht, ist ulkig, er sagt doch ehrlich, ich könne sie mir dann morgen abholen. Begründung: Soo viel Betrieb. Ich muss bestimmt etwas verstört gewirkt haben. Ob ich erwartet hätte, sie gleich wieder mitnehmen zu können, fragt er genervt. Ja, genau so hatte ich mir das gedacht.
Tja, mir bleibt nichts anderes übrig: Ich sehe den Tacker und frage kurz, ob ich ihn mir mal ausleihen darf. Na das wird ja ein Fiasko…
Bücherberge
Die letzten viereinhalb Wochen hatte ich ohne jegliches soziales Leben verbracht, einsam verschanzt in meinem Arbeitszimmer. Wobei einsam war ich nicht: Ich hatte meine Bücher, meine treuen Gefährten, meine Mahnmale für die noch nicht getane Arbeit, die Staubfänger und Platzwegnehmer, die ich wünschte, längst schon los zu sein. Sie stapelten sich und ich fühlte mich wie eine Art Sklave, der – solange diese Bücher in seiner Umgebung existierten – nichts machen durfte außer essen, schlafen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Überall waren sie, um mich herum, wie ein kreiselnder Strom, der mich immer weiter unter Wasser zog, eine Welle, die mich überrollte; ja, wie eine Wand mit Nadeln, die immer näher kam und einen am Ende zerdrückte – okay, das war übertrieben. Eigentlich lagen sie nur rum.
Glücklicherweise war ich weitestgehend fertig mit der Arbeit, lediglich Fazit und Formalia lagen noch vor mir. Also stellte ich mir die Frage, ob ich den ersten Schritt aus der Sklaverei, Richtung Freiheit, nicht an dieser Stelle schon tun konnte. Noch ehe ich den Gedanken hundertprozentig durchdachte hatte, griff ich bereits die ersten Bände und stopfte sie lieblos in meinen Rucksack und machte der Knechtschaft ein Ende. Mit einem unbeschreiblichen Gefühl von Freiheit, Frieden und innerer Befriedigung – nein, keine Übertreibung diesmal – kehrte ich abends mit leerem Rucksack zurück. Die Bücher waren wieder dort, wo sie hingehörten. Weg von mir; jetzt konnten sie eine andere arme Seele terrorisieren.
Ich wusste nicht, was es war, dieser plötzliche Frieden oder die enorme Glückseligkeit die ich verspürte, irgendwas zumindest verleitete mich dazu, mich an diesem Abend nochmal an meine Arbeit zu setzen. Das Fazit wollte ich schreiben, das Konzept dafür hatte ich bereits: Mit einem knackigen Zitat wollte ich anfangen, provokant, pointiert und absolut passend für mein Thema. Ich suchte in meinen Notizen danach, den genauen Wortlaut hatte ich nicht im Kopf. Ich fand es nicht. Ich suchte weiter. Ich fand es nicht. Ich suchte und suchte und suchte – und fand es nicht und nicht und nicht. […] Da ich jetzt keinen guten Anfangssatz hatte, startete ich in der Mitte des Fazits – und stockte erneut. In einer Fußnote fehlte der Autorenname. Als ich die anderen durchsah, stieg Panik in mir auf. Titel fehlte. Seitenzahl fehlte. Verlag fehlte. Außerdem: Erscheinungsjahr 2015? Das konnte ja wohl nicht stimmen. Panik, Panik, Panik. Ich konnte das nicht wieder einfach ignorieren – so konnte ich die Facharbeit unmöglich abgeben. […] Ich musste mich beugen und erneut der Knechtschaft der Literatur unterwerfen, die Bücher eigenhändig und auf dem schnellsten Wege wieder in mein Arbeitszimmer bringen und ihre bösen Blicke ertragen. Nur würden sie jetzt wohl nicht mehr böse sondern anklagend sein, dafür, dass ich mich ihnen widersetzt und für kurze Zeit Freiheit genossen hatte.
Günther
Günther ist sechzehn Jahre alt, geht in die elfte Klasse eines Gymnasiums und muss daher eine Facharbeit schreiben. Er gar keine Lust darauf, zehn Seiten innerhalb von sechs Wochen zu schreiben, da er ziemlich faul, unmotiviert ist und er es überhaupt nicht mag, längere Texte zu schreiben.
Allerdings ist er nicht besonders gut in der Schule und kann sich keine Unterwertung im Seminarfach leisten. Und: Er möchte unbedingt das Abitur schaffen. Deswegen beschließt er bei der Facharbeit einfach große Teile aus einigen seiner zahlreichen Quellen zu kopieren und die Quellen zu den kopierten Teilen nicht anzugeben. Den Rest der Facharbeit schreibt er selber und mit korrekter Quellenangabe, damit die kopierten Teile nicht auffallen. „Wird der Lehrer schon nicht merken“, denkt sich Günther.
Tatsächlich bekommt er eine Zwei, da sein kopierter Teil aus guten Quellen ist, aber sein eigener Teil eher mittelmäßig war. Trotzdem freut sich Günther und meint: „Jetzt habe ich ohne große Mühe eine gute Note bekommen“.
Ein Jahr später befindet sich Günther im letzten Halbjahr und wird gerade so mit vier Unterwertungen zum Abitur zugelassen. Kurz bevor die Prüfungen starten, möchte ihn sein Tutor am Ende der Stunde sprechen. Günther ist etwas verwundert, doch er denkt sich nichts Schlimmes, bis sein Tutor ihm mitteilt: „Ich darf dich leider nicht fürs Abitur zulassen. “ „Warum? “, fragt Günther verwundert. „Deine Facharbeit wurde wegen der guten Note hier in unserer Schule ausgestellt und einem aufmerksamen Schüler der elften Klasse kam ein Teil deiner Facharbeit sehr bekannt vor. Das wurde mir weitergeleitet und ich habe deine Facharbeit nochmal korrigiert. Aufgrund deines Betrugsversuchs habe ich diese mit null Punkten bewertet, wodurch du jetzt eine Unterwertung mehr hast. Ich habe mit dem Rektor beschlossen, dich unverzüglich in die elfte Klasse zurückzustufen, damit du nochmal eine Facharbeit schreiben kannst, bei der du dann hoffentlich korrekt zitierst. “ Günther bricht in Tränen aus und weint: „Das können sie mir doch nicht antun! “. Der Tutor antwortet: „Das hat man davon, wenn man versucht zu betrügen“.
Ich bin ein Chaot
Ich bin ein Chaot. Das ist lästig, für mich, meine Freunde, meine Lehrer – aber ich steh dazu. Manchmal haben es Chaoten dennoch ziemlich schwer, wie zum Beispiel in der Facharbeitszeit...
Noch drei Wochen bis Abgabe und ich befinde mich inmitten von Büchern. Goethes Italienische Reise, Goethes Italienische Reise mit zusätzlichen Anmerkungen und Zeichnungen, Goethe in Rom: Band 1, Band 2, Band 3 – warte, gibt es 3? Überall lese ich Goethe und Italien.
Die Erleichterung, die sich bei mir einstellt, nachdem ich endlich jegliche Lektüre loswerden konnte, kann man sich vorstellen. Weil ich es für besonders schlau gehalten habe, habe ich mir alles Wichtige rausgeschrieben und gekennzeichnet, wo ich es herhabe.
Kapitel 2 – Goethes Leben in der WG. Dazu hat ein Autor besonders viel geschrieben, erinnere ich mich und schaue in meine sorgfältig angefertigten Notizen – da haben wir’s, zwei Seiten Stichpunkte aus dem Buch... Luitpold. Luitpold? Wer ist Luitpold? Ist das der Vor- oder Nachname des Autors – oder der Buchtitel? Auch auf der nächsten Seite enttäuscht mich meine Quellenangabe, „Goethe in Rom“ – Band 1 oder 2? Und welcher Aufsatz daraus? Oder ist das eine Zwischennotiz?
Nach ungefähr 20 Minuten enttäuschender Internetrecherche bezüglich Luitpold beschließe ich, das Kapitel vorerst zu überspringen – vielleicht bekomme ich ja einen Geistesblitz, der mir Titel, Autor sowie Erscheinungsjahr wieder in den Sinn bringt.
Wie zu erwarten warte ich vergeblich auf meinen Geistesblitz... Und beschließe, eine Pause zu machen. Und leider in den nächsten Tagen jegliche Lektüre ein zweites Mal zu besorgen. Auf ein Neues. Ich bin ein Chaot.
Jan oder die Facharbeit
Freitag, drei Wochen vor Abgabe
Ich öffnete möglichst leise die Tür, aber schon stand Mutter Adlerauge hinter mir. „Wo willst du hin? “, fragte sie mich mit allem Vorwurf in der Stimme, den sie aufbringen konnte. Genervt drehte ich mich um: „Ich habe dir gesagt, dass ich heute Abend mit meinen Freundinnen ausgehe. “ „Du hattest mir aber nicht gesagt“, erwiderte sie und drückte die Haustür zu, „dass dieser Abend um vier Uhr beginnt. Du hast Verpflichtungen! In drei Wochen musst du deine Facharbeit abgeben und die schreibt sich ganz sicher nicht alleine, während du dich mit deinen Freundinnen amüsierst und bis spät in die Nacht feierst. “
Seufzend machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Es hatte keinen Sinn zu diskutieren. Meine Mutter war wohl der festen Ansicht, dass ich das Haus nicht verlassen dürfte, bevor diese zehn Seiten nicht getippt sind. […] Nachdem ich meiner Mum meine ersten Ergebnisse vorgelegt und ihr versprochen hatte am nächsten Tag die Einleitung zu schreiben, durfte ich dann doch los.
Nächster Tag:
Ich wachte auf und schaute auf meinen Wecker. 14 Uhr! Mein Schädel brummte. Okay, vielleicht war es gestern ein wenig spät geworden. Ich schlurfte in die Küche. Auf dem Tisch lag ein Zettel: Bin bei der Arbeit. Setz dich bitte gleich hin und schreib! Kuss, Mum
War ich nicht mittlerweile alt genug, mir meine Zeit selber einzuteilen? Ich schrieb an diesem Tag nichts mehr, sondern ruhte mich lieber vom letzten Abend aus.
Samstag, zwei Wochen bis zur Abgabe
Ich stieg aus der Dusche, zog mich an und begann mich zu schminken. Heute Abend war meine Chance mit Jan aus der 12. in Kontakt zu kommen, deshalb musste ich perfekt aussehen. Meine Mutter rief nach mir. Ich ging in die Küche. Sie saß am Tisch und wartete auf mich. Ihr Blick verhieß nichts Gutes. „Deine Freundin hat gerade angerufen und gefragt, wann sie dich abholen soll. Wohin, wenn ich fragen darf? “ „Heute Abend ist 'ne große Geburtstagsparty und wir sind spontan eingeladen worden. Dad hat‘s erlaubt! “ Das stimmte. Ich hatte ihn extra noch angerufen, damit ich sie nicht fragen musste. Sie sah mich seufzend an: „Und deine Arbeit? “ „Morgen, Mum! Es ist doch noch genug Zeit. “
Nächster Tag:
Ich öffnete um 17 Uhr die Haustür. In der Nacht hatte ich spontan entschieden bei Helen zu schlafen, um so spät (oder eher so früh) nicht mehr nach Hause zu müssen. Meine Mutter war stinksauer. Ich ging in mein Zimmer und fuhr den Rechner hoch, schaltete ihn aber nach einer Stunde wieder aus.
Sonntag, drei Tage bis zur Abgabe
Vollkommen erledigt fing ich mit dem Hauptteil meiner Arbeit an. Am letzten Abend war ich mit Jan, Helen und ihrem Freund in der Stadt. Es war ein wirklich lustiger, aber auch langer Abend gewesen und ich war müde. Ich hatte die letzten drei Wochen nicht mehr an der Facharbeit gearbeitet und Mittwoch war Abgabe. Ich musste also wenigstens ein paar Seiten zu Stande bringen. Als meine Mutter das Resultat am Abend gelesen hatte, sah sie mich enttäuscht an: „Das kannst du doch nicht ernst meinen. Da sind lauter Fehler drin und es steckt überhaupt keine Logik dahinter. “ Ich war eindeutig zu müde um etwas erwidern zu können.
Am Ende gab ich meine Arbeit zu spät ab und bekam sie mit der Anmerkung zurück, dass sie voll von logischen Fehlschlüssen und durcheinander sei. Meine Mutter behielt also wieder einmal Recht: Es gibt Termine, die einfach nicht in die Facharbeitszeit gehören. Und aus Jan und mir wurde übrigens auch nichts.
Kreative Jungfrau
Facharbeit? Kein Problem, ist doch alles easy - 6 Wochen Zeit, nur 10 Seiten vollschreiben, bisschen Literatur raussuchen, bisschen hier lesen, da lesen. Auf geht’s, bin ja schließlich frisch von den Zeugnisferien erholt. Mein Thema ist wahnsinnig interessant, das kann ich euch sagen. Ich bin grad echt voll im Flow, dieses Thema ist so richtig inspirierend. Ich leih' mir also ein paar Bücher aus und beginne mit dem Durchlesen. Seite für Seite, paar Notizen machen zwischendurch, nächste Seite. Halt - nicht möglich! Schon 2 Stunden um? Ich grinse in mich hinein: Jaja, wenn ich will, dann kann ich ein richtig ehrgeiziger Schüler sein, ich muss halt einfach nur mal was Interessantes zum Lernen bekommen! So vergehen die Wochen, aber hey, immer noch alles locker, sind noch 2 Wochen bis zur Abgabe. Am besten, ich nehm mir mal nen paar Tage Pause, schließlich war ich ja richtig fleißig in letzter Zeit. Aber nein, da fängt plötzlich meine Mutter an, rumzustressen. Ich soll gefälligst anfangen zu schreiben, wann ich denn fertig werden wolle? Wohl Ende des Jahres?
Hä? Was will die denn, ich bin doch schon fertig?! Hab das ganze Wissen doch in meinem Kopf, bin momentan mindestens so schlau wie Einstein, da soll die mal ne ruhigere Kugel schieben. Ich gönn mir also n bisschen Chillen und fang dann an zu schreiben.
Aber irgendwie ist es anders. Wo ist auf einmal mein Flow hin? Die Facharbeit scheint mit all ihren Mitteln gegen mich zu kämpfen. Sie erwürgt meine Gedanken, sie leert mein Gedächtnis und meinen Kopf, ich weiß auf einmal gar nichts mehr. Sie gibt mir sogar heimlich Schlaftabletten, welchen Grund könnte es sonst für mein plötzliches Einschlafen am Schreibtisch geben? Ich bringe mit Mühe und Not Zeile für Zeile in meinen Computer. Merkt denn keiner, wie schlecht es mir geht? Diese Tortur grenzt an Hölle, wie können da die ersten schon fertig sein?! Meine Facharbeit muss wohl eine ganz besonders fiese sein, wie eine Hexe mit grünen Fingernägeln und Warzen, die mich in den Untergang jagen will. Ihr Bild erscheint mir auf dem Bildschirm des Computers und macht mich ganz krank, ich fühle mich so elend! Das kann einfach nicht von mir verlangt werden.
Ich bin ein kreativer Typ, ich muss mich ausleben und bewegen, diese Arbeit hindert mich am Ausleben meiner Persönlichkeit! Arbeitssüchtigen, hobbylosen Schuljunkies tut so eine Facharbeit gut, die haben dann endlich was, in das sie all ihre Lebensenergie stecken können. Wahrscheinlich sind die alle vom Sternzeichen her Löwe. Aber niemand wird mich nochmal zu so einer Arbeit zwingen können, denn das entspricht eindeutig nicht meinem Persönlichkeitstyp einer Jungfrau.
Mein untreuer Computer
Ich liebe meinen Computer. Mit ihm kann ich alles machen, was ich möchte: Weiß ich etwas nicht, gehe ich ins Internet und google es. Ich sehe mir Filme per Lifestream an, höre Musik und spiele Rollenspiele auf dem Computer. Wenn ich neue Klamotten brauche - zack - ein Klick und sie sind gekauft ohne auch nur aufgestanden zu sein. Natürlich bringe ich meinen Computer mit Updates und Programmen immer auf den neuesten Stand, sodass alles noch bequemer, besser und schneller vorangeht.
So war ich auch ganz entspannt, als ich erfuhr, dass es bald auf die Facharbeit zugehen sollte. Ich schaffte mir ein neues Schreibprogramm an, mit dem ich spielend leicht nur die nötigsten Vorgaben eintippen brauchte und sie dann von dem Computer umgesetzt wurden. Drei Tage vor Abgabe war ich mit meinem Text fertig. Die Hürde war bewältigt - zugegeben, es war kein einfacher Akt und insgesamt sehr nervenaufreibend und zeitaufwändig gewesen. „Zum Glück habe ich mir ja dieses fantastische Programm heruntergeladen und brauche mich jetzt um nichts mehr zu kümmern“, dachte ich mir. Und so machte ich mir für diesen Tag keine Gedanken mehr und gönnte mir eine Auszeit.
Als ich am nächsten Tag dann alles eingefügt hatte und das Computerprogramm gerade dabei war, mir meine Fußnoten zu setzen und Rechtschreibfehler zu korrigieren, stockte es plötzlich. Mein Bildschirm wurde schwarz und ich nervös. Nach fünfzehn Minuten flackerte er dann endlich wieder auf und ich konnte etwas erkennen. Doch was ich sah, war nicht schön. Mein Text war auf manchen Seiten komisch verschoben und man konnte nur die Hälfte erkennen, die Fußnoten waren falschherum geschrieben und meine Überschriften waren vertauscht. Mir brach der Schweiß aus. Es dauerte den ganzen Nachmittag, bis ich alle Fehler endlich behoben hatte.
Und dann das: Ich war nur kurz aus meinem Zimmer verschwunden, um mir Essen zu machen. Als ich wiederkam, streikte das Programm nun endgültig. „Nun gut“, dachte ich, „immerhin habe ich den Text noch auf meinem alten USB Stick gespeichert“. Nur leider verweigerte mir der Computer jegliche Mitarbeit. Er zeigte nichts an, speicherte nichts, er machte einfach nichts.
Nach 2 Stunden vergeblichen Probierens, gab ich mich geschlagen und schrieb alles neu, diesmal auf dem Laptop meines Bruders. Die nächsten 24 Stunden verbrachte ich nur vor diesem Laptop. Als ein nervliches Wrack und mit quadratischen Augen schaffte ich es in letzter Minute alles einwandfrei auszudrucken.
Ich liebe meinen Computer …
Neustart
Meine Vorbereitung auf die Facharbeit bestand im Allgemeinen aus Entspannen und Schlafen, um Reserven zu haben diese zehn Seiten ohne Stress hinter mich zu bringen.
Schließlich begann der erste Tag der jetzt schon endlos scheinenden sechs Wochen. Ich erstellte mir den Plan nach einer halben Woche mit der Recherche fertig zu sein und nach weiteren vier Tagen die Gliederung fest im Kopf zu haben, um dann innerhalb von zwei Wochen ganz fertig zu sein. Jetzt schon schien mir der Tag, an dem ich den letzten Satz beenden werde, als ein Feiertag.
Nach zwei Wochen stand die Hälfte meiner Facharbeit, was mich besonders glücklich machte, da meine Freunde teilweise noch an der Recherche. Doch nach einigen Tagen dann kam der Schrecken: mir fiel nebenbei plötzlich auf, dass der Schwerpunkt meiner Arbeit ein ganz anderer war, als er mir auf den ersten Blick erschienen war. Ein Resultat davon, dass ich so oberflächlich recherchiert und darauf meine Gliederung aufgebaut hatte. Auf den Schrecken folgte aber zunächst die Beruhigung durch meine Freunde, die mir rieten, mich nicht fertig zu machen, denn sowas ließe sich schnell beheben und ich sei ja sowieso sehr gut in der Zeit.
Ich schloss mich schließlich der Meinung meiner Freunde an und konzentrierte mich die nächsten Tage erstmals auf die Champions-League-Spiele im Fernsehen, ich meine die konnte man nun wirklich nicht einfach verpassen!
Eine Woche später: Ich habe noch ein Drittel der sechs Wochen, da könnte ich, da ich ich den Schwerpunkt falsch gelegt hatte und zudem mit dem Inhalt nicht zufrieden war, doch noch einmal von Neuem beginnen, dachte ich mir. Ich löschte die gesamte Arbeit - statt acht Seiten waren es jetzt wieder null.
Ab dem Zeitpunkt war ich deutlich zufriedener mit der Arbeit, da ich effektiv und zielstrebig recherchiert, mir eine logische Gliederung überlegt und die erste Seite bereits geschrieben hatte – das einzige Problem war, dass mir nur noch fünf Tage Zeit zur Verfügung standen. Als ich das erkannte, verbrachte ich den halben Tag damit, das leere Haus zusammen zu brüllen und mich unter der Decke zu verkriechen, da mir alles über den Kopf wuchs.
Das Ziel, die Facharbeit schnell und natürlich ohne jeglichen Stress hinter mich zu bringen, wurde unrealistisch. Meine Augenringe und Laune sanken jede Stunde. Dank zweier Nachtschichten und zwei Tagen, an denen ich in der Schule unentschuldigt fehlte, war ich mittlerweile wieder auf Seite acht angelangt.
Nun blieb mir noch ein einziger Tag für die restlichen zwei Seiten und das Korrekturlesen; meine Reserven waren aufgebraucht. Mitten in der Nacht wurde ich fertig. Ich verspürte aber kaum die erhoffte Erleichterung, sondern viel deutlicher die Müdigkeit. Ohne noch eine weitere Minute über die Facharbeit nachzudenken, fiel ich tot in mein Bett – und wachte am Mittag des nächsten Tages auf.
[…] Vier Stunden nach dem eigentlichen Abgabetermin reichte ich die Arbeit im Sekretariat ein. Zwar heißt es immer „Besser spät als nie“ aber in diesem Fall…
Soziale Abstinenz
Vor zwei Wochen begann der Zerfall meines sozialen Lebens – allerdings ohne, dass ich es mitbekommen hätte. Ich bekam mein Facharbeitsthema, irgendwas mit Goethe und einem Tischbein. Klingt nicht so spannend, oder? Aber sollte eigentlich schnell gehen, da muss man ja nicht so viel nachdenken. Glaubte ich zumindest.
Ich gehöre mit zu den ersten, die sich Gedanken ums Arbeiten machen. Als erstes gehe ich zu Google, da sollte schon irgendwas stehen. Gibt man die Worte „Tischbein“ und „Goethe“ bei Google ein, gibt es schlappe 1.050.000 Ergebnisse. Verdammt. meine Strategie: Einfach die ersten zehn Internet-Seiten öffnen und mal gucken, was so dabei ist. Aber die sind ein Reinfall, hatten was mit Tischlern zu tun und haben ganze 55 Minuten meiner Lebenszeit gefressen. Nach einer weiteren Stunde bin ich jetzt aber fündig geworden und vier Aufsätze von irgendwelchen unfassbar uninteressanten Leuten sind schon ausgedruckt auf meinem Schreibtisch ausgebreitet. Oha. Erste Erkenntnis der letzten Stunde: Tischbein ist ein Mensch. Der Arme!
Jetzt mache ich noch schnell einen Abstecher zur nächsten Bibliothek und das ganze Material ist beisammen. In jedem Fall bin ich ganz gut in der Zeit.
Zwei Stunden später bin ich wieder in meinem Zimmer und besitze die vier Internetaufsätze plus 5 Bücher mit geschätzten tausend Seiten. Bei einem Blick in das erste Buch wird mir schwindlig: Unfassbar viele Informationen in Schriftgröße 3 und durch diverse Schnörkel unleserlich gemacht. Meine zweite Erkenntnis für heute: Mein Plan, heute und morgen zu arbeiten und dann fertig zu sein, gerät ins Wanken.
Okay, ähm, also dann erst die Formatierung. Nach diversen Schweißausbrüchen und einem Schwächeanfall in Form von drei Tafeln Schokolade habe ich ein leeres, aber perfekt formatiertes Dokument. Nicht schlecht für den Anfang, denke ich jedenfalls. Zeit aufzuhören.
Am nächsten Morgen ist da wieder dieser Haufen Arbeit, der sich auf meinem Schreibtisch befindet und mir vorwurfsvolle Blicke zuwirft. Ich lege mir eine neue To-Do-List an. […] Verdammt, ich will nicht. Wie soll ich das jemals schaffen? Ich werde von einem Meer an Arbeit ertränkt, das ich nicht aufhalten kann. Angst und Wut breiten sich in den folgenden Tagen und Wochen in mir aus. Ich stelle fest, dass ich schon seit Wochen keine Freundin mehr getroffen habe, dass ich keine Zeit mehr finde, mich mit Leuten zu verabreden. Mein soziales Leben war zerfallen.
Nächstes Mal wird alles anders. Oder auch nicht.
Ein Tipp gegen Bücherberge
Recherchiert man zu einem bestimmten Thema, kann es passieren, dass man schnell den Überblick verliert. Das kann in der Facharbeitszeit zu einem großen Problem werden. Zunächst leiht man sich Bücher aus zu allen möglichen Aspekten, die mit dem eigenen Thema zu tun haben und sammelt möglichst viel Material dafür. Man sucht, forscht nach und hat nach mehreren Wochen nicht mal ein einziges Wort geschrieben.
Ähnlich war es zunächst bei mir. Auf dem Schreibtisch türmten sich Bücherberge auf, überall waren Zettel verteilt, mit Fragen, die ich für mein Thema noch nicht beantwortet hatte. An einer anderen Stelle lagen schon erste Kopien aus den Büchern. Ich hatte den Überblich verloren.
Eigentlich wollte ich doch „nur“ über die Gründe für Goethes Aufbruch nach Italien schreiben, aber als ich mir die Titel der Bücher anschaute, merkte ich, dass sich auf meinem Schreibtisch Material befand, das ausreichte, um sich das Wissen eines Experten anzueignen und eine ausführliche Biographie zu schreiben. Nicht nur Goethes Italienische Reise, sondern auch Aufsätze zu seinem Weltbild, zu seiner Einstellung zur Musik, Kunst und Wissenschaft usw. Ich habe immer weiter Material gesammelt, als müsste ich eine 100- seitige Biographie verfassen anstelle einer Facharbeit.
Spätestens in diesem Moment würde vermutlich jeder erkennen, dass man etwas unternehmen muss, um nicht unter den Quellen zu ersticken. Der erste Impuls, den man hat, ist, alle Bücher und Zettel auf den Boden zu werfen, aber damit wäre das Problem nicht gelöst.
Deshalb ist mein Tipp, dass bei der Facharbeit bei den Quellen manchmal weniger mehr sein kann. Sinnvoll ist es, die wichtigsten Quellen herauszuarbeiten, auf die man sich am meisten konzentriert. Aus Angst davor, wichtige Informationen zu übersehen, kommt es wahrscheinlich zur Ansammlung vieler Quellen. In dieser Situation muss man sich darüber klar werden, dass man wichtige Informationen später noch in den Entwurf einfügen kann.