Theater

Der Urwald stirbt!

DIE GEISTER DES REGENWALDES

(Im Chor:)

Wir sind die Geister des Regenwaldes -

Wir verkörpern die Naturgewalten und die Fruchtbarkeit, den Lauf der Dinge, die Jahreszeiten, den Regen, den Donner, die Glut und den Wind.

Wir werten und urteilen über die Menschen und führen sie auf den guten Weg zurück…

Wieso "auf den guten Weg" - wie verließen sie den denn?

Indem sie sich abkehrten vom Mitmensch, abkehrten von den Tieren, abkehrten von der Natur…!

Das ist aber nicht rechtens!

Das ist gar nicht schön…

Das ist ziemlich hässlich sogar, wenn Ihr mich fragt …

Das ist echt BLÖD !

(mbs.) Ich bin der Urwald, ich bin wie eine Kathedrale, ein unendlicher Andachtsraum, von einem Blätterdach weit überspannt. Die riesigen, säulenhaften Baumstämme strahlen eine majestätische Ruhe aus; hier drinnen herrscht vollkommenen Stille, nur durchbrochen vom Gurgeln des kleinen Bächleins, das sich im Moos schlängelt. Das Licht fällt in unendlich langen Strahlen durch eine Kuppel aus Laub. Von dort fallen einzelne kristallklare Tropfen reinsten Wassers und blitzen iM Fall auf wie Diamanten…

Ich bin der Urwald, ich bin schöner als alle Königsgärten dieser Welt. Mein Boden ist weich und federnd, die Luft duftet, von oben und überall hängen und drängen Blüten in den leuchtendsten Farben und verströmen bezaubernde Düfte. Lianen durchkreuzen den Raum und dienen Äffchen und Echsen, um von Krone zu Krone zu gelangen. Melodisches Vogelgezwitscher durchdringt den Raum, darunter klingt das Knarren der alten Bäume: Hier zu wandeln ist wie in einem wunderschönen Traum, aus dem niemand mehr erwachen will.

 

Ich bin der Urwald, In meinem Reich geht es brutal und blutrünstig zu. Hier verstecken sich Raubtiere mit messerscharfen Zähnen und nadelspitzen Krallen. Hier treffen heimtückische Mörder auf unbarmherzige Hetzer, es herrscht das Gesetz des Stärkeren, mein Motto ist: Fressen und gefressen werden - bei mir sind Schrecken und Grauen zuhause, die Blutgier und die Bestialität - seid willkommen in der grünen Hölle…!

Ich bin der Urwald, ich bin düster und dampfend, die Luftfeuchtigkeit ist hier extrem hoch und die feuchte Hitze betäubend und lähmend. Alles wartet auf den Moment, wo die Dunkelheit einbricht und es etwas kühler wird. Ich nehme allen die Luft zum Atmen und schwäche so jedes Lebewesen, das hier nicht groß geworden ist. Die Luft ist voll von Modergeruch und schwülen Düften, Früchte verwesen und zerfallen langsam wieder zum Nährboden, der dann zu neuem Leben erwacht…. bevor auch dieses erstickt und verwest.

 

Ich war einmal der Urwald, ich war voller Lebendigkeit und Fruchtbarkeit und war ständig für Überraschungen gut. Doch jetzt bin ich leer und fühle mich krank. Seit der Mensch in mir herumwühlt und Bäume fällt und Plantagen ansiedelt, da ist es mir öd und schwer. Und das Leiden geht nun schon lange, so lange, dass mir langweilig wird, ich spüre den Schmerz nicht mehr, wenn ein Baum fällt, ich höre nur noch das Krachen und Knirschen. Bald werden nur noch Asche und Staub vom Leben überbleiben, das ich einst beherbergte. Und wenn alle Tiere und Pflanzen vertrocknet und verstummt sind, dann sterbe ich zuletzt endlich auch…!

ZUR ENTSTEHUNG:

Das Stück "Der Urwald stirbt - Ein Affentheater" ist in den vergangenen eineinhalb Jahren im Wahlpflicht-Unterricht entstanden: Aus Improvisationen wurden Szenen, an denen die Schüler maßgeblich beteiligt gewesen sind.

Bei der Verkörperung von ungewöhnlichen Rollen, wie Geistern, Tieren, Safari-Touristen, Fabelwesen und literarischen Figuren zeigen die Schüler ihr spielerisches Können.

Aktuelle politische Ereignisse wie die Umweltzerstörung durch voranschreitende Abholzung des brasilianischen Urwaldes waren für die Entwicklung der collageartigen Szenenfolgen genauso wichtig wie die eigenen Wünsche und Erfahrungen Aller an und mit der uns umgebenden Natur. Im Vordergrund für unser gemeinsam zu entwickelndes Theaterprojekt stand jedoch immer eine schöne und spannende Aufführung, welche die vielfältigen Möglichkeiten des Theaters erkunden und ausloten sollte.

 

Die im parallel dazu laufenden Kunstunterricht entstandenen Geisterfiguren und Bühnenmodelle vom Urwald wurden in das gemeinsame Spiel integriert.

öffentliche Aufführung am 04.04.2019, 18.00 Uhr im Theaterraum / OHG

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